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Angst
Ohne Angst zum Zahnarzt
veröffentlicht am: 01.10.10
Die Vorstellung in die Zahnarztpraxis gehen zu müssen, löst bei vielen Menschen mehr oder minder große Ängste aus. Der Zahnarzt wird dann leider meist zu spät und erst bei schlimmsten Schmerzen aufgesucht. In erster Linie werden die zu erwartenden Schmerzen während der Behandlung genannt. Da aber mit modernen Anästhetika (Spritzen) vor jedem Eingriff jeglicher Schmerz ausgeschaltet werden kann, muss es noch andere Gründe für diese Angst geben.
Häufig sind die bei der Behandlung entstehenden Geräusche und Gerüche die Begründung. Doch unangenehme Geräusche und Gerüche begegnen einen schließlich auch außerhalb der Praxis. Es klingt paradox, aber in Wahrheit sind es tatsächlich irrationale Gründe, die "Zahnarzt-Angst" auslösen. Auch wenn diese nichts mit Logik zu tun haben, so sind sie trotz allem existent und verdienen Beachtung.
Das Thema Angst beim Zahnarzt ist deshalb so interessant, weil übergroße Ängste, auch Aggressionen, nicht selten die Qualität der Behandlung direkt beeinflussen können. Da Zahnärzte meist besonders einfühlsame Menschen sind (sonst hätten sie den Beruf nicht erlernt), nehmen sie insbesondere negative Gefühle verhältnismäßig leicht auf. Wenn der Zahnarzt dann nicht über genügend Kraftreserven verfügt oder Mechanismen zum Selbstschutz entwickelt hat, begibt er sich quasi zwangsläufig in die Gefahr eines Behandlungsmisserfolges. Was liegt also näher, als die Menschen fit, angstfrei und stark zu machen für den Gang zur Zahnarztpraxis.
Mit Sicherheit spielen Merkmale wie Vererbung, individuelle Robustheit und die persönliche Schmerzschwelle eine wichtige, aber nicht alleine beherrschende Rolle. Obwohl Angeborenes leider nicht ausgetrickst werden kann, kann man trotz allem einiges tun, damit die Ängste nicht übermächtig werden: Es unterliegt nämlich unserer Einflussnahme, Prägungen und Erlerntes z.B. durch Autosuggestion und autogenes Training oder Hypnose "umzuprogrammieren".
In der Praxis habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass vor bzw. an Stelle einer Behandlung oft nur einfaches Ausreden lassen und Zuhören hilft, Ängste abzubauen, so dass eine Behandlung schließlich doch möglich wird. Dabei kommt im Gespräch häufig heraus, dass die Angst erst durchein traumatisches "Zahnarzt-Erlebnis" in der Kindheit entstanden ist. Im Umkehrschluss heißt das: Hat das Kind keine mit Angst und Schmerz assoziierten Zahnarztbesuche erfahren, wurde es respektvoll und schonend behandelt, dann haben die späteren Erwachsenen kaum oder keine Angst mehr vor dem Zahnarzt.
Angesichts dieser Tatsachen müssen wir Zahnärzte doch auch einmal überlegen, wie wir mit unseren kleinsten Patienten umgehen. Wichtig ist immer, dass Mutter und Kind stets genau erklärt bekommen, was gemacht wird. Natürlich darf dann auch nicht ein bisschen davon abgewichen werden. Und wenn zu behandeln ist, was auf Grund immer besserer Prophylaxe und Mundhygieneaufklärung immer seltener vorkommt, dann wird ein verantwortungsbewusster Zahnarzt sich nicht gegen den Widerstand des kleinen Patienten durchsetzen und auf Gedeih und Verderb bohren wollen.Den Eltern kommt hier die Rolle zu, ihrem Kind im Vorfeld die Angst vor dem Zahnarztbesuch zu nehmen. Ganz wichtig ist, dass sie den Besuch eher beiläufig erwähnen und ihn nicht wortreich klein zu reden versuchen. Wenn im Gespräch mit den Eltern und dem Kind nach den Ursachen für die Ängste des betroffenen Kindes geforscht wird, bekommt man oft zu hören, dass die ganz eigenen Ängste der Eltern innerfamiliär bzw. zwischen den Elternteilen detailliert ausgebreitet und beredet worden sind. Nicht selten werden die elterlichen Ängste an die Kinder so weiter "vererbt". Ganz vorbildlich verhalten sich Eltern, die trotz eigener Zahnarztangst versuchen, ruhig und gelassen zum Zahnarzt zu gehen. Dann besteht eine sehr gute Chance, dass sich ihre positive Einstellung auf das Kind überträgt.